Frank Neises, Koordinator der Fachstelle für Übergänge in Ausbildung und Beruf – überaus und der BIBB-JBA-Servicestelle
Nicht nur Corona hat gezeigt: die Organisation von Strukturen und Prozessen muss flexibel sein
Aus Bundessicht gab Frank Neises einen Einblick in zentrale Aspekte zum Aufbau einer guten Unterstützungsstruktur mit allen Akteuren. Zunächst brauche es eine flexible Organisation von Strukturen und Prozessen, die sich an Situationen anpassen könne. Dies habe sich besonders in der Corona-Pandemie gezeigt. In dieser Zeit sei die Zusammenarbeit auf den Kopf gestellt und langfristig erarbeitete Strukturen und Prozesse müssten wieder neu gedacht werden.
In einer kürzlich, 2021, erfolgten Erhebung der Servicestelle Jugendberufsagenturen im BIBB wurden insgesamt 348 Landkreise und kreisfreie Städte mit mindestens einer Jugendberufsagentur gezählt. Die Befragung habe nach deren Selbstauskünften gezeigt, dass es ganz unterschiedliche Ausgestaltungsformen von Kooperationsbündnissen gebe. Erkenntnisse zur qualitativen Arbeit von Jugendberufsagenturen könnten aus den Daten allerdings nicht abgeleitet werden. Aus der Arbeit mit Jugendberufsagenturen wisse man aber, dass diese Zeit brauchen, sich zu organisieren und Strukturen aufzubauen. Vertrauen und Verbindlichkeit aufrecht zu erhalten sei dabei eine grundlegende, wesentliche Aufgabe. Weiterentwicklung sei dabei dauerhaft nötig. Dies sei jedoch kein linearer Prozess. Die gemeinsame Arbeit müsse vor dem Hintergrund sich wandelnder Situationen immer wieder überprüft und angepasst werden.
Das WIR in einer Jugendberufsagentur ist entscheidend
Zudem sei das WIR in der Arbeit entscheidend. Es gebe verschiedene „Reifegrade“ einer Jugendberufsagentur, aber auch verschiedene Ausgestaltungsformen – unter einem Dach, wie häufig im städtischen Raum oder unter vielen Dächern, wie in ländlichen Regionen. Was aber als Standard dennoch gelten sollte: das gemeinsame WIR, unabhängig von der Anzahl und Form der Anlaufstellen. Dafür brauche es klare Ideen, eine Strategie und Ziele, ausgerichtet an den Bedarfen der jungen Menschen. Die Ergebnisqualität der eigenen Arbeit zeige sich aber erst viel später, in der erfolgreichen Beratung, die sich letztlich bei den Jugendlichen niederschlage. Denn es gibt eine große Vielfalt an Angeboten am Übergang Schule-Beruf, aber auf die Bündelung vor Ort komme es an.
Auf die Bündelung der Angebote vor Ort und eine kontinuierliche Beziehungsarbeit kommt es an
Über die Instrumente der Rechtskreise der Sozialgesetzbücher II, III, VIII und IX hinaus gebe es insgesamt über 300 Programme am Übergang Schule-Beruf von Bund und Ländern. Die Mehrheit beinhalte die Beratung, die Begleitung, das Coaching und die Vermittlung. Dazu kämen ca. 120 Bildungsgänge der Länder in diesem Bereich. Es sei aber bekannt, dass die hohe Zahl an Programmen nicht allein zum Erfolg führe – die unabgestimmte Aneinanderreihung der Maßnahmen könne auch dazu führen, dass die Einmündungschancen in die Ausbildung, z.B. durch Stigmatisierungen verringert würden. Sobald die Jugendlichen die Schule beenden, müsse man die Chance ergreifen, es sofort und „einmal gut zu machen“. Betriebsnahe Angebote, das Nachholen von Schulabschlüssen und eine kontinuierliche Begleitung ohne Wechsel von Ansprechpersonen verbessere die Einmündungschancen in die Ausbildung. Er sehe in der verlässlichen Beziehungsarbeit mit Jugendlichen einen wesentlichen Schlüssel zum Erfolg, was auch Studien zur Berufsorientierung zeigten. Dieser Aspekt, nah an den Jugendlichen zu sein, werde immer unterschätzt, spiele aber eine große Rolle, um Brüche zu vermeiden. Das gesamte Umfeld der Jugendlichen und damit der identitätspsychologische Aspekt hätten großen Einfluss auf die Berufswahl und auch auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, das z.B. regional durchaus unterschiedlich sein könne.
Daher müsse man auch mit den Schulen als abgebenden Systemen arbeiten, da sie über jeden einzelnen Jugendlichen gut Bescheid wüssten, so wie auch die Jugendhilfe, aber auch mit den Unternehmen und Unternehmensverbänden. Mit Schulen arbeiteten einige Jugendberufsagenturen schon gut zusammen, mit Unternehmen und den Verbänden noch vergleichsweise wenig.
Nachhaltig wären ein gemeinsames Budget und eine strukturelle Verankerung
Wünschenswert sei ein gemeinsames Budget der Jugendberufsagenturen, um die Arbeit auf eine solidere Basis zu stellen. Auch eine strukturelle Verankerung, die jenseits von engagierten Einzelpersonen funktioniere, sei unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit wichtig.